Laura Poitras (* 2. Februar 1964 in Boston) ist eine US-amerikanische Dokumentarfilmregisseurin und -produzentin. Sie hat mehrere preisgekrönte Werke veröffentlicht und ist MacArthur Fellow.

Poitras ist eine der Initiatoren der Freedom of the Press Foundation; sie ist neben Glenn Greenwald die erste Person, die Zugriff auf die von Whistleblower Edward Snowden zur Verfügung gestellten Dokumente der Globalen Überwachungs- und Spionageaffäre hatte. Vom Februar 2014 bis September 2016 war sie für das von Glenn Greenwald und Jeremy Scahill zusammen mit ihr gegründete Medium The Intercept tätig. Seit September 2016 ist sie eine der leitenden Produzentinnen der Dokumentarfilmplattform Field of Vision, einem weiteren Projekt der gemeinnützigen Medienfirma First Look Media. Am 30. November 2020 wurde Poitras von First Look Media entlassen, nach Poitras Angaben aufgrund der Kontroverse im Zusammenhang mit der Whistleblowerin Reality Winner.

Ihr Film Citizenfour, ein Dokumentarfilm über den US-amerikanischen Whistleblower Edward Snowden, für den sie das Drehbuch schrieb und Regie führte, gewann 2015 den Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm.

Am 9. September 2022 erhielt sie für ihren Film All the Beauty and the Bloodshed über die Opioidkrise in den USA den Goldenen Löwen der Internationalen Filmfestspiele von Venedig.

Leben

Ihre Eltern stifteten dem MIT 20 Mio. US$. Nach dem Besuch der Sudbury Valley School und dem Abschluss der High School studierte Poitras am San Francisco Art Institute, wo sie zusammen mit dem Experimentalfilmer Ernie Gehr Kurse besuchte. 1992 zog sie nach New York um und setzte ihr Studium an der Universität The New School fort, das sie 1996 mit einem Bachelor in „Public Engagement“ (etwa: öffentliche Partizipation) beendete.

Seit der Veröffentlichung von Irak – Mein fremdes Land – einem Dokumentarfilm über den Irak unter US-amerikanischer Besatzung – im Jahr 2006 ist Poitras vom Department of Homeland Security als terrorverdächtig eingestuft. Flugreisen gehen für sie zwangsläufig mit den Maßnahmen des Secondary Security Screening Selection einher, da sie auf der Watch List des US-Außenministeriums steht. Auf Grund dieser Eintragung und den entsprechenden Repressionen schrieb Glenn Greenwald schon 2012 über ihre kontroversen Filme und das daraus resultierende Schicksal.

Im Januar 2013 wurde Poitras anonym kontaktiert und erhielt – nachdem sie ihren PGP-Public Key zur Verfügung stellte – Anweisungen, sich weiter gegen Hacks abzusichern (siehe Bruteforce):

Infolge dieses Mailverkehrs arrangierten Snowden, Greenwald und Poitras ein Treffen in Kowloon. Seit der Übergabe der Top-Secret-Dateien verwendet sie unterschiedliche Computer für Schneiden, Kommunikation und das Lesen der Geheimsachen. Das Gerät für das Lesen ist vollständig ohne Anbindung zu irgendeinem Kommunikationssystem.

Während Greenwald die Publikation über die Zeitung The Guardian wählte, arbeitet Poitras daran, die Überwachungsaffäre filmisch aufzubereiten.

Am 10. Februar 2014 veröffentlichte sie über The Intercept:

Bezüglich ihrer Zeit mit Snowden in Hongkong sagte sie:

Poitras lebte in Berlin, kehrte 2016 allerdings zu New York City als Wohnort zurück.

Schaffen

Laura Poitras thematisiert in ihren Filmen gesellschaftliche oder politische Missstände. Nachdem sie in Flag Wars Gentrifikation behandelte, beschäftigt sie sich seit Irak – Mein fremdes Land mit Facetten und Auswirkungen des Krieges gegen den Terror. Irak – Mein fremdes Land war der Auftakt zu einer Trilogie, deren zweiter Teil unter dem Titel The Oath veröffentlicht wurde. Der dritte und letzte Teil wurde unter dem Arbeitstitel The Program begonnen. Die New York Times schrieb im August 2013, der Film behandelt Fragen der Terrorismus-Abwehr und die Rolle von Whistleblowern in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts im Angesicht der Überwachung von Nachrichtendiensten. Die Filmgeschichte wird Parallelen zu Snowdens Werdegang aufweisen. 2014 kam der Dokumentarfilm unter dem Titel Citizenfour in die Kinos.

Für das Whitney Museum of American Art erschuf sie im Januar 2016 ihre erste Kunstausstellung „Astro Noise“, welche unter anderem die Globale Überwachungs- und Spionageaffäre, den Krieg gegen den Terror und Gezielte Tötungen thematisieren wird. Der Name ist angelehnt an die Bezeichnung der verschlüsselten Containerdatei, mit der Edward Snowden die Dokumente der NSA an Poitras übergab, und bezieht sich ursprünglich auf die thermische Rest-Strahlung des Urknalls. In der Ausstellung visualisiert sie die Spuren der Spähtechnik, Satellitensignale und Drohnenüberflüge. Daneben zeigt sie Menschen; Opfer von terroristischer Gewalt und Menschen, die von der Staatsgewalt als Terroristen behandelt werden. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 7. Februar 2016 wurde sie zur Ausstellung und ihren momentanen Lebensumständen von Johanna Adorján befragt.

Für die Süddeutsche Zeitung berichtete Peter Richter über die Ausstellung aus New York: „Poitras hat ganz offensichtlich nach Kanälen gesucht, um ihr Material und ihre Botschaft so wirkungsvoll wie möglich zu vermitteln, und hat sie in den bekannten Arsenalen der Kunst und der Ausstellungsarchitektur auch gefunden. Um eine Arbeit an diesen Kanälen ging es nicht so sehr. Und das ist verständlich.“

Im Jahr 2022 entstand der Dokumentarfilm All the Beauty and the Bloodshed, der den Kampf der Künstlerin Nan Goldin gegen die Oxycodon-Hersteller-Familie Sackler aufgreift. Poitras erhielt für ihr Werk den Goldenen Löwen der 79. Internationalen Filmfestspiele von Venedig und wurde für den Oscar nominiert.

Im Jahr 2023 wurde sie in die Wettbewerbsjury der 80. Filmfestspiele von Venedig berufen.

Filmografie

  • 1995: Exact Fantasy
  • 1998: Free Tibet (Produktion, Schnitt; Regie: Sarah Pirozek)
  • 2003: Flag Wars
  • 2006: Irak – Mein fremdes Land (My Country, My Country)
  • 2010: Der Eid – Einblicke in das Al-Kaida-Netzwerk (The Oath)
  • 2011: The Law in These Parts (Produktion; Regie: Ra’anan Alexandrovicz)
  • 2011: O’Say Can You See (Videoinstallation)
  • 2012: The Program
  • 2014: Citizenfour
  • 2016: Risk, Dokumentarfilm über Julian Assange
  • 2022: All the Beauty and the Bloodshed

Auszeichnungen

Person

  • 2010: True Vision Award des True/False Film Festivals
  • seit 2012: MacArthur Fellow
  • 2013: George Polk Award gemeinsam mit 30 Preisträgern
  • 2014: The Ridenhour Truth-Telling Prize gemeinsam mit Edward Snowden
  • 2014: Sonderpreis des Henri-Nannen-Preises für Verdienste um die Pressefreiheit
  • 2014: Carl-von-Ossietzky-Medaille gemeinsam mit Edward Snowden und Glenn Greenwald
  • 2015: Marion Dönhoff Preis

Filme

  • 2004: Flag Wars, ausgezeichnet mit einem Peabody Award und als Beste Dokumentation vom South by Southwest Festival und Seattle Lesbian & Gay Film Festival sowie dem Filmmaker Award des Full Frame Documentary Film Festivals – nominiert wurde der Film für einen Emmy und einen Independent Spirit Award.
  • 2007: Irak – Mein fremdes Land, nominiert für einen Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm zusammen mit Jocelyn Glatzer
  • 2010: The Oath, ausgezeichnet als Excellence in Cinematography Award for U.S. Documentary vom Sundance Film Festival
  • 2015: Citizenfour ausgezeichnet mit einem Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm zusammen mit Mathilde Bonnefoy und Dirk Wilutzky
  • 2023: All the Beauty and the Bloodshed nominiert für einen Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm, Howard Gertler, Nan Goldin, Yoni Golijov, John Lyons

Weblinks

  • Laura Poitras bei IMDb
  • Porträt der New York Times: How Laura Poitras Helped Snowden Spill His Secrets (Memento vom 23. August 2013 auf WebCite), 13. August 2013
  • Was geschah am 11. September 2001?, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. Januar 2014
  • The New Yorker: The Holder of Secrets – Laura Poitras’s closeup view of Edward Snowden, Oktober 2014
  • „Es hätte auch eine Falle sein können“, Interview, die tageszeitung, 27. Oktober 2014

Einzelnachweise


How Laura Poitras Combines Fearless Journalism With Great Cinema

Q&A Laura Poitras The Nation

TRANSCEND MEDIA SERVICE » After Snowden, Filmmaker Laura Poitras Takes

Laura Poitras’s Nan Goldin Documentary Wins Big in Venice, and Other

Laura Poitras on the Crypto Tools That Made Her Snowden Film Possible